Michelle Beecken: „Bessere Bedingungen kann ich mir kaum vorstellen“

Michelle Beecken blickt nach Beendigung ihrer Schulzeit zurück und berichtet über ihre Erfahrungen an der Eliteschule des Sports und das Leben im DOSB-Sportinternat des Olympiastützpunktes.

Ursprünglich komme ich aus Niedersachsen, etwa 60 km vom Stützpunkt entfernt, und doch zog es mich schon früh dorthin. Hamburg bietet Nachwuchsathleten die Möglichkeit unter nahezu perfekten Bedingungen den Sport auszuüben und letztlich für ihn zu leben. In homogenen Trainingsgruppen und mit Spielern, welche alle dasselbe Ziel verfolgen, können diese gemeinsam wachsen und sich schließlich so immer weiter an die Spitze kämpfen. Letztlich zog auch mich die einzigartige Atmosphäre und das Training in seinem Bann. Zunächst 3 Jahre nur am Stützpunkt trainierend, wollte ich immer besser werden. Meinen Traum fest im Blick wollte ich unter allen Umständen an die Eliteschule des Sports wechseln. Nach einem langen Jahr Überzeugen und hartnäckigen Betteln bei meinen Eltern ging er schließlich in Erfüllung. Ich ging also künftig ab der 8. Klasse an die Eliteschule des Sports, 

Die Schule gibt einem die einzigartige Möglichkeit das „Hobby“ zum Mittelpunkt im Leben zu machen aber zeitgleich nicht den Anschluss in der Schule zu verlieren. Neben dem Training darf und sollte man seine beruflichen Aussichten und Bildung niemals außer Acht lassen. Dennoch ist und war der Sport mindestens ebenso wichtig für mich. Die Schule vereint beides, sowohl Lernen als auch Sport, und schafft optimale Trainings- aber auch Lernbedingungen. Die Lehrer und Mitschüler unterstützten mich sowohl schulisch als auch sportlich und gaben mir Rückenwind, möglicherweise den Rückenwind, den man gerade benötigt.

Wie bereits mehrere Zeitungen feststellten haben wir „Hamburgs coolste Lehrer“ (Hamburger Morgenpost) und unser Schulleiter würde alles für uns tun und wird sogar „für seine Schüler zum Talkmaster“ (Bild). Schließlich fand ich dort Freunde, welche eine ähnliche Denkweise hatten wie ich. Während ich vorher oft auf Unverständnis traf, weil ich hier und dort eine Verabredung oder Geburtstagsfeier sausen ließ, aufgrund von Turnieren oder Training, war es plötzlich ganz normal geworden. Innerhalb dieser Gemeinschaft wurde man aufgefangen, besonders falls es gerade einmal sportlich oder schulisch nicht optimal lief. Vom ersten Tag an fühlte ich mich dort sehr wohl, was sich nicht zu Letzt auch in meinen Noten widerspiegelte. Vorher immer nur unteres Mittelfeld, war ich plötzlich in den meisten Fächern zur Jahrgangsbesten geworden. Die Schule schaffte es, ein System zu entwickeln und durch zu setzten, welches das Lernen und somit gute Noten trotz sportlicher Abwesenheit möglich macht. Im Mittelpunkt hierbei steht vor allem eine ausgezeichnete Kommunikation zwischen Schüler und Lehrer. Letztlich bekam ich mit einem hervorragenden Schnitt von 1,4 mein Abiturzeugnis überreicht.

Aber auch im Training ging es seither steil bergauf. Erfolge wie Deutsche Vizemeisterin im Mädchendoppel U15 oder die zuvor gewonnene Deutsche Rangliste trugen dazu bei, dass ich diese Entscheidung niemals bereut habe und wohl niemals bereuen werde. Dennoch 60 km hin und her pendeln, täglich Stunden in Zügen zu verbringen, für den Sport nahm ich das nahezu selbstverständlich auf mich, stören tat es mich dennoch ein wenig. Aber aufgrund meines Wohnsitzes nicht in der TG 1 trainieren zu können, das konnte ich nicht zu lassen. Davon sollte ich mich doch nicht ausbremsen lassen und letztlich bekam ich die Möglichkeit ins Sportinternat zu ziehen. In nur 5 Minuten zu Fuß zur Halle oder zur Schule, ein Traum. Bessere Bedingungen kann ich mir kaum vorstellen: perfekte Trainingsbedingungen zusammen mit dem perfekten Umfeld. Schließlich verbrachte ich dort die letzten 3 Jahre. Dabei wuchs man zusammen wie eine große Sportlerfamilie. Anstatt Eltern liehen die Betreuer uns immer ein offenes Ohr und im Gegensatz zu Geschwistern hatten man Mitbewohner, mit denen ich eine wunderschöne Zeit verbringen durfte. 

Zusammen mit einem fantastischen Trainerteam schaffte ich es mehrfach aufs Podest. Zwei Mal Bronze auf der Deutschen Rangliste im Dameneinzel U19 und sogar den erneuten Ranglisten Sieg im Doppel U19. Zudem konnten wir mit dem Schulteam mehr als einmal beim Bundesfinale Jugend trainiert für Olympia beweisen, dass wir einer der besten Schule in Deutschland beziehungsweise die Beste sind.

Aber nicht nur sportlich entwickelte ich mich enorm weiter, sondern vor allem persönlich. Wer kann denn schon von sich behaupten mit 16 Jahren so selbstständig zu sein und, mit etwas Hilfe von den Betreuern, einen eigenen, kleinen Haushalt zu führen. Die Selbständigkeit, Disziplin aber auch Eigenverantwortung, welche ich auch im Training und in der Schule immer mehr erlernte, verschaffen mir im Alltag große Vorteile. Nicht zuletzt merkte ich dies nach meinem Schulabschluss vor wenigen Wochen bei der Bewerbung auf mehrere Stellenanzeigen und Studienplätze. Zum Teil bekam ich sehr positive Rückmeldung nur auf der Grundlage, dass mein Zeugnis die Worte Eliteschule beinhalten oder ich im Sportinternat war. Dies suggeriert dem möglicherweise künftigen Arbeitgeber eben diese Disziplin, Eigenverantwortung und Selbstständigkeit. Zusammengefasst: Kernkompetenzen, welche in nahezu jedem Beruf gefragt sind. Dadurch verschafft man sich einen gewaltigen Vorteil gegenüber Konkurrenten und öffnet einige, weitere Türen. Ob es nun an den guten Abschluss oder sonstigen Faktoren lag, vermag ich nur zu vermuten dennoch kann ich behaupten, ich habe hervorragende Berufsaussichten. 

Ich persönlich möchte nun meine gesammelten Erfahrungen und mein wissenschaftliches Talent für die Neurowissenschaft nutzen und werden ab dem kommenden Semester Informatik studieren, um im Anschluss meinen Master in Neurobiologie zu machen. 

Abschließend kann ich neben einem großen Dankschön an alle Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet und die mir dies alles ermöglicht haben, mich nur an die jüngeren Talente wenden. Durch Hamburg bin ich so weit gekommen und ich bin froh, dass ich damals diesen Weg eingeschlagen habe und ich wünsche einfach jeden, dass er diese Möglichkeit ebenfalls hat. Ob es letztendlich das Richtige für euch ist oder nicht, müsst ihr selbst entscheiden aber probiert es aus. Versucht es und auch wenn es am Anfang oft alles neu und unheimlich ist, traut euch: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren“ (Brecht) und es lohnt sich immer für seine Träume zu kämpfen. Vergiss niemals: „Was dich nicht umbringt macht dich nur stärker“ (Nietzsche). 

(Michelle Beecken)

Wir gratulieren Michelle zu ihrem bestandenen Abitur und wünschen ihr für ihren neuen Lebensabschnitt alles Gute und hoffen, dass sie dem Badmintonsport weiterhin treu bleibt.